Projektbeispiele

Neue Labordiagnostik für „Katzenkratzkrankheit“

Das Bakterium Bartonella henselae wurde erst 1990 identifiziert. Es löst die sogenannte Katzenkratzkrankheit (KKK) aus, von der besonders häufig Kinder betroffen sind. Der tückische Erreger erzeugt ein Krankheitsbild, das bei schweren Verläufen auch mit einem Lymphom verwechselt werden kann. Bartonella-Infektionen sind klinisch und mikrobiologisch schwer nachweisbar, mit Schmerzmitteln und Antibiotika aber gut therapierbar. Ein infektionsserologisches Laborverfahren ermöglichte seit 1992 die Diagnose, hat aber verschiedene Nachteile. Schon 2015 begann Dr. Andreas Latz von der NovaTec Immundiagnostica GmbH zusammen mit Professor Dr. med. Volkhard Kempf von der Universität Frankfurt am Main mit Versuchen an einem neuen und automatisierten Nachweisverfahren. Der Durchbruch gelang 2018 mit Hilfe des Landesprogramms LOEWE.

Bis zu 20 Prozent der Hauskatzen sind Träger von Bartonella henselae, ohne selber daran erkrankt zu sein. Bei Menschen aber kann schon ein kleiner Kratzer durch eine Katzenkralle oder einen Biss eine Infektion auslösen. Geschätzt sind bei etwa fünf bis zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung Bartonella henselae-spezifische Antikörper nachweisbar. Der Kratzer verheilt zunächst schlecht, es entstehen kleine Knötchen, Wochen später schwellen die Lymphknoten in der Nähe der Hautverletzung an und schmerzen. Bei Patienten mit einem gesunden Immunsystem reichen oft schon Schmerzmittel und die Zeit, die die Infektion von alleine abheilen lassen. Bei Menschen mit eingeschränkter Immunabwehr sowie Kindern, bei denen das Immunsystem noch nicht vollständig ausgebildet ist, kann die Infektion einen schweren Verlauf nehmen, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt wird.

 

Einfache und günstige Diagnostik spart Kosten und Patientenleid

Dann ähnelt das Krankheitsbild klinisch beispielsweise einem gefährlichen Lymphom (Lymphdrüsenkrebs). Ohne einen schnellen Nachweis der Bartonellen-Infektion beginnt dann für Kinder und ihre Eltern eine umfangreiche Diagnostik mit Krankenhausaufenthalt. Oft wird eine Lymphknotenentnahme durchgeführt. „Für Kinder und Eltern ist diese Situation sehr belastend; von den Kosten der Krankenhausbehandlung einmal abgesehen“, erläutert Dr. Andreas Latz. „Wir wollten ein sicheres, automatisiertes und kostengünstiges Diagnoseverfahren entwickeln, das künftig in jedem Krankenhauslabor sofort für Klarheit sorgt“. Für das geförderte Verbundvorhaben gewann er als Partner Professor Dr. med. Volkhard Kempf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene und Leiter des vom Robert Koch-Institut benannten Konsiliarlabors „Bartonella“. Der Immunfluoreszenztest (IFT) ist zwar bisher die einzig wissenschaftlich anerkannte Methode zum Nachweis anti-Bartonella-henselae-Antikörpern. Sie hat aber Schwächen: sie ist zeitaufwendig und daher teuer. Nicht jedes Krankenhauslabor hat die dafür ausgebildeten Fachkräfte. Und am Ende kommt es auf den Medizinischen Mikrobiologen an, der das Ergebnis auch richtig interpretieren muss. Im gemeinsamen Projekt sollte nach dem Verfahren „Enzym Linked Immunosobent Assay“ (ELISA) der Nachweis von Bartonella henselae Antikörpern erforscht werden. Es galt, ein Testpaket zu entwickeln, mit dem künftig eine sichere und automatisierbare Diagnostik möglich ist.

 

Mit ELISA wurde ein neues Nachweisverfahren etabliert

Die Herausforderung für das „BartoLISA“ getaufte Projekt bestand zunächst darin, Bartonella Antigene zu identifizieren und reproduzierbar zu gewinnen. Hierfür wurden in einem durch Prof. Kempf patentierten Verfahren Bartonella henselae kultiviert. Diese wurden fraktioniert und analysiert. Einzelne Fraktionen zeigten nach monatelangen Experimenten eine hochspezifische Interaktion mit den menschlichen Antikörpern. Diese bildet die Immunabwehr speziell für jeden bakteriellen Angreifer. Nach weiteren monatelangen Versuchen gelang die sichere Reproduktion der Antigen-Herstellung im Labor. Dieser erste Erfolg schuf die Basis, um das ELISA-Testverfahren zu entwickeln. Doch zuvor wurden die Antigene mit humanen und veterinären Blutseren als Referenzmaterial umfangreichen Tests unterzogen. Dafür stellte Prof. Kempf rund 100 Blutproben aus seinem Labor zur Verfügung. Das Blut stammte von anonymisierten Patienten, bei denen eine gesicherte Diagnose der Infektion bestand sowie ein entsprechendes Ethikvotum vorlag. Die Antigene stellten sich in diesen Testen als brauchbar heraus und damit konnte Dr. Latz in einem weiteren Schritt das ELISA-Testverfahren entwickeln. Alle Komponenten mussten auf Eignung und Reproduzierbarkeit im industriellen Produktionsprozess validiert werden, was wiederum einige Monate in Anspruch nahm. Am Ende gelang der Transfer aus der Forschung im Labor in die Produktion. Es folgte eine ausführliche Prüfung der diagnostischen Performance.

 

BartoLISA sorgt schneller für diagnostische Sicherheit

„Im Antrag hatten wir damit gerechnet, dass wir die Sicherheit der Diagnostik gegenüber dem IFT steigern würden. Aber die Tests zeigten, dass BartoLISA unsere Erwartungen noch übertrifft“, berichtet Dr. Latz. Die Sensitivität des IFT-Verfahrens liegt bei etwa 90 Prozent, was zu einer Restunsicherheit der Diagnose mit diesem Verfahren beiträgt. BartoLISA erreicht eine 98-prozentige Sensitivität bei gesicherten Infektionen der Patienten. Vor allem ist BartoLISA ein automatisiertes Verfahren, das nun in jedem Standardlabor in zwei Stunden durchzuführen ist, das keine speziell geschulten Fachkräfte benötigt. Es ist außerdem deutlich günstiger. „Mit BartoLISA können nun in Laboren viel leichter anti-Bartonella henselae Antikörper bei einem Patienten mit geschwollenen Lymphknoten festgestellt werden. Das erspart alleine in Deutschland künftig 7.200 Patienten und vor allem Kindern Unsicherheit, Biopsien und viel Leid“, freut sich Dr. Latz. Aktuell wird das Verfahren mit von Prof. Kempf und seinen Kollaborationspartnern an der schwedischen Universität Lund evaluiert und weiterentwickelt. Denn es existieren noch weitere Bartonella-Bakterienstämme, die Krankheiten auslösen und durch das neue Testverfahren künftig erkannt werden könnten. „BartoLISA ist ein infektionsdiagnostischer Durchbruch und festigt den guten Ruf, den Hessen hier seit Jahren hat.“

 

Dieses Projekt (HA-Projekt-Nr.: 490/16-12) wurde von August 2016 bis Juli 2018 im Rahmen der Innovationsförderung Hessen aus Mitteln der LOEWE – Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz, Förderlinie 3: KMU-Verbundvorhaben gefördert.

 

Stand: Dezember 2018
Text: Christian Gasche

Antragsteller

Dr. Andreas Latz
a.latz@novatec-id.com

NovaTec Immundiagnostica GmbH
Waldstraße 23 H6
63128 Dietzenbach 
www.novatec-id.com

Projektpartner

Prof. Dr. Volkhard Kempf
volkhard.kempf@kgu.de

Goethe-Universität Frankfurt am Main
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene
Paul-Ehrlich-Straße 40
60596 Frankfurt am Main
www.kgu.de

Ansprechpartner

Biotech und Medizin

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